Heute jährt sich zum 30. Mal das Jahrhundertspiel. Haben Sie
sich noch mal bei Bonhof für den Doppelpass bedankt?
Ich werde damit noch
erstaunlich viel konfrontiert und auch in der Öffentlichkeit
darauf angesprochen. So präsent habe ich das eigentlich gar
nicht mehr. Hätte ich jetzt wahrscheinlich überhaupt
nicht mehr, wenn man mich nicht immer wieder daran erinnert
hätte.
Aber Sie denken
doch sicher noch gerne an das Spiel?
Oh ja,
natürlich. Von der Dramaturgie war das so einmalig, dass
nichts Besseres hinterher gekommen ist.
Wieso
ließ Weisweiler Sie damals auf der Bank sitzen?
Das war eine fachlich
richtige Entscheidung. Ich war nicht in bester körperlicher
Verfassung, meine Mutter war gestorben und der Wechsel zu Madrid stand
kurz bevor. So hat er mir das nicht zugetraut, dass ich bei diesem
besonderen Spiel eine gute Leistung bringe.
Haben Sie ihm
das übel genommen?
Ich habe es ihm nicht
übel genommen. Ich wollte meine Konsequenzen ziehen und wollte
nach Hause gehen. Die Kameraden haben mich überredet, mich auf
die Bank zu setzen, weil die geglaubt haben, ich kann ihnen noch
helfen. Wie recht sie gehabt haben mit diesem Gedanken.
Stimmt es, dass
Weisweiler Sie in der Halbzeit noch bringen wollte?
Ganz genau. Die Stimmung
im Stadion war gegen ihn, weil ich auf der Bank saß. Da
wollte er sich befreien, indem er mich in der Halbzeit einwechseln
wollte. In ein Spiel hinein, das durch keinen Spieler zu verbessern
war. Jeder der da reingekommen wäre, wäre
Außenstehender gewesen, wäre ein
Fremdkörper gewesen. Deswegen habe ich das auch abgelehnt. Und
das hat die Leute noch mehr wild gemacht, weil sie gesehen haben, ich
bin immer noch nicht drin. Die haben gedacht, dieser sture Weisweiler
ist Schuld daran. Die wussten ja nicht, was sich in der Halbzeit
abgespielt hat.
Was war dann der
Auslöser, warum Sie sich dann zur Verlängerung
eingewechselt haben?
Einzig und allein die
Verfassung von Christian Kulik, der nicht mehr in der Lage war, auch
nur einen Schritt zu gehen. Das hat mich veranlasst rein instinktiv mir
die Trainingsjacke auszuziehen, an der Bank vorbei zu laufen und dem
Herrn Weisweiler mitzuteilen, dass ich jetzt spiele.
Das haben Sie so
gesagt?
Genau. „Ich
spiel dann jetzt.“
Sie haben nach
dem Spiel als Einziger Ihr Trikot nicht getauscht. Was ist damit
geschehen?
Ich habe keine Ahnung.
Ich habe diese Werte nirgendwo gesammelt. Es gibt kaum Erinnerungen an
meine aktive Zeit.
Sie haben es
eben schon mal angedeutet. Gab es in Ihrer Karriere ein bedeutenderes
Spiel?
Es gab sicher etwas
Hochstehenderes. Das Spiel gegen Inter Mailand zuhause, dieses 7:1, ist
natürlich von der Qualität her besser gewesen. Aber
von der Dramaturgie gibt es nicht annähernd ein Spiel in
meiner ganzen Laufbahn, das diese Bedeutung gehabt hat.
Haben Sie noch
Kontakt zu Spielern von damals?
Zum Berti immer wieder.
Jupp Heynckes werde ich jetzt auch wieder oft sehen. Den Wimmer habe
ich vor Jahren mal im Stadion getroffen. Aber sonst ganz, ganz wenig.
Kleff sieht man ab und zu. Aber ich lebe ja auch in der Schweiz ein
bisschen außerhalb vom Schuss. Die anderen sehen sich
sicherlich häufiger.
Hat Sie nach
Ihrer aktiven Fußballkarriere nie ein Amt bei der Borussia
gereizt. Es hat doch gewiss Angebote gegeben?
Das habe ich
ausgeschlossen. Ich bin beim HSV ausgestiegen und habe gesagt:
„Der Fußball hat all meine Energien abgesaugt. Man
wird mich nie mehr in einem derartigen Amt sehen“. Das hat
sich bewahrheitet und als richtig heraus gestellt bis zum heutigen Tag.
Gab es denn
irgendwelche Enttäuschungen?
Nee, nee.
Überhaupt nicht. Ich habe das erlebt und durchlebt. Man kann
nicht mehr in diesem Geschäft tun. Ich habe wahnsinnig viel
erreicht beim HSV. Diese Phase meines Lebens war damit erledigt.
Was empfinden
Sie, wenn die Borussia 2004 den Bökelberg verlässt?
Ich bin kein Mensch, der
mit Wehmut daran zurück denkt und pathetische Worte
dafür findet. Das ist nicht so meine Sache. Es ist der Geist
der Zeit, dass so etwas passiert. Das ist bedauerlich. Die Erinnerungen
können dadurch aber nicht ausgelöscht werden. Es ist
notwendig in der heutigen Zeit, Verbesserungen herzustellen. Das tun
sie Gott sei Dank mit diesem neuen Stadion. So bleiben mir und den
Menschen die vielen tollen Erinnerungen an diesen Platz, wo wir gewirkt
haben.
Wann waren Sie
das letzte Mal am Bökelberg?
Das ist verflucht lange
her.
Schauen Sie sich
denn noch Spiele vom VfL an?
Ja, natürlich.
Das ist klar. Das ist Pflicht, dass ich da auf der Höhe des
Geschehens bleibe.
Hat die heutige
Mannschaft noch irgendwas mit der damaligen gemein?
Kann ja nicht. Die
heutige Zeit hat nichts gemein mit der von `73. Das ist auch gut so,
dass das sich verändert hat. Wir haben unsere Zeit gehabt, die
einmalig war. Und ich möchte die nicht gegen die heutige Zeit
eintauschen. Die Leute heute werden das in zehn Jahren genauso sagen.
Die in unserer Zeit gelebt haben in Gladbach, die haben den
schönsten Fußball gesehen, den man in Deutschland
sehen konnte. Weil das in dieser Vielfalt geschah. Das war nicht, dass
wir einmal im Jahr solche Spiele geliefert haben. Es war sehr
häufig der Fall, dass wir zu solchen Leistungen fähig
waren.
Sie waren einer
der populärsten deutschen Fußballspieler, sind ein
beliebter Kommentator und ein erfolgreicher Geschäftsmann.
Welche Ziele verfolgt man da noch?
Ich habe mir nie Ziele
gesteckt. Ich habe nicht das eine aufgehört, um das andere zu
erreichen. Das hat sich bei mir alles entwickelt. Das hat sich ergeben,
dass mich plötzlich etwas Neues interessiert hat. Das ist mein
Naturell, dass ich das dann hochprofessionell mache. Ich habe keinen
Ehrgeiz und keine Besessenheit, überall der Beste zu sein. Das
entspricht nicht meinem Charakter. Es hat sich alles ergeben, so wie es
ist.
23.
Juni 2003
|